Einen Kaffee, bitte!

Auf diese Bestellung werden ein Kellner und eine Kellnerin in einem Wiener Kaffeehaus unter Garantie 1. mindestens eine Augenbraue hochziehen und 2. nachfragen, was es denn, bitteschön, für ein Kaffee sein solle…. Denn in Wien bestellen wir nicht einfach einen Kaffee, sondern die genaue Art, wie wir ihn zubereitet haben möchten.

Da gibt es als Basis den kleinen und großen Schwarzen oder Braunen – purer Mokka ohne oder mit Milch in kleiner oder größerer Menge. Die beliebteste Variante mit Milch ist die Melange, bei der Kaffee und Milch zu gleichen Teilen gemischt werden, häufig mit Milchschaum obenauf. Der Franziskaner ist eine sehr helle Melange mit Schlagobers und Schokostreusel, der Kapuziner ein schwarzer Kaffee mit ein paar Tropfen Schlagobers, das dem Kaffee die Farbe der Kapuzinerkutte verleiht. Mit einem Cappuccino (Espresso mit Milch und Milchschaum), den du in Wien selbstverständlich auch bestellen kannst, auch wenn er kein geborener Wiener ist, hat ein Kapuziner also wenig gemeinsam.

Den Einspänner, den meine Großmutter manchmal getrunken hat, habe ich immer besonders interessant gefunden: er wird in einem Glas mit Henkel serviert und besteht aus schwarzem Kaffee mit einer Schlagobershaube. Dazu wird Staubzucker serviert, der auf das Schlagobers gestreut wird. Der Einspänner wird nicht umgerührt, sondern durch die Obershaube getrunken. Seinen Namen hat er von den einspännigen Kutschen. Die Kutscher hielten das Glas in der einen Hand und die Zügel in der anderen, die Schlagobershaube hat den Kaffee warm gehalten, der in der Pause zwischen zwei Fuhren getrunken wurde. Durch das Glas konnten Fahrgäste sehen, wer mit der Pause schon fast fertig war und danach einen Kutscher auswählen.

Zu literarischen Ehren hat es der Überstürzte Neumann gebracht, von dem Friedrich Torberg in seinem „Traktat über das Wiener Kaffeehaus“ schreibt. Es handelt sich bei dieser Kaffeespezialität um einen umgedrehten Einspänner, bei dem zuerst das Schlagobers auf den Boden der noch leeren Schale kommt und sodann mit heißem Kaffee „überstürzt“ wird. 
Der Ehrlichkeit halber sollst du wissen, dass nicht jedes Kaffeehaus alle diese Varianten bereithält. Wenn du eines findest: koste dich durch!

Literatur und Kaffeehaus


Über die Geschichte der Wiener Kaffeehausliteratur sind viele Bücher geschrieben worden, denen hier keine Konkurrenz gemacht werden soll. Wenn du eine Ahnung bekommen magst, wie Kunst und Kaffeehaus und Wiener Lebensart zusammenhängen und vor allem einstens zusammenhingen, bekommst du hier einen guten und vergnüglichen ersten Eindruck:
 Friedrich Torberg, Traktat über das Kaffeehaus

Frühstück im Kaffeehaus


Die erste Mahlzeit des Tages im Kaffeehaus einzunehmen, gehört zu den Leidenschaften vieler Wiener*innen. Heutzutage gibt es dafür fast überall ein breit gefächertes Angebot, das vom Müesli mit frischen Früchten bis zu Lachs mit Oberskren reicht. Das klassische Wiener Kaffeehausfrühstück setzt sich allerdings aus schlichteren Elementen zusammen: Eier im Glas, Buttersemmel und Kipferl, eventuell ergänzt durch etwas Marmelade oder Honig. Begleitet von Kaffee oder Tee nach Wahl, für Kinder gern Kakao. Wenn es etwas deftiger sein darf, ist auch eine Eierspeis (Rührei) aus zwei oder drei Eiern denkbar. Dazu die aktuellen Tageszeitungen und viel Muße für die Lektüre. So beginnt ein perfekter Tag in Wien.

Soda Zitron und Obi gespritzt


Nicht immer ist Kaffee gewünscht und gerade an einem warmen Tag willst du vielleicht deinen Durst mit einem kühlen Getränk stillen. Natürlich bekommst du im Kaffeehaus die üblichen international verbreiteten Softdrinks und häufig auch sehr gute selbstgemachte Limonaden. Zwei Durstlöscher-Klassiker sind jedenfalls Soda Zitron – Sodawasser mit etwas frischem Zitronensaft – und Obi gespritzt – Apfelsaft und Sodawasser zu gleichen Teilen gemischt. Dass wir in Wien zum Apfelsaft Obi sagen, rührt von einem seit Beginn des 20. Jahrhundert bekannten Markennamen her. Ursprünglich aus der Schweiz stammend hat sich „Obi“ speziell in Österreich als Synonym für Apfelsaft bis heute gehalten.

Die Jause – nicht ohne Mehlspeis


Am Nachmittag fällt bei uns Wiener*innen das Energieniveau häufig rapide ab und verlangt nach Stärkung in Form einer Jause, worunter wir Kaffee und etwas Süßes verstehen. Eine „Mehlspeis“ zum Kaffee kann Torte oder Kuchen sein, eine Topfengolatsche oder ein Nussbeugel, ein Punschkrapferl oder ein Gugelhupf. Die Köstlichkeiten aus der Wiener Mehlspeisküche (anderswo würde man Patisserie dazu sagen, aber irgendwie klingt das zu filigran) sind nahezu zahllos.
Im Kaffeehaus findest du meistens eine Vitrine, in der die Mehlspeisen ausgestellt sind. Am besten fragst du die Kellner*innen, was genau du dort siehst und lässt dir etwas empfehlen. Die Klassiker Sachertorte, Apfel- und Topfenstrudel und Cremeschnitte findest du fast überall. 
Zur Sachertorte wird man dir Schlagobers empfehlen – das ist ein guter Tipp.
Schlagobers, Vanillesauce und Vanilleeis zum Apfelstrudel hätte meine Oma nie serviert, in der Tat schmecken aber alle drei Varianten köstlich. Vanillesauce zu Buchteln ist jedenfalls klassisch.

Kleines Mehlspeislexikon:


Punschkrapfen

ein Würfel aus Biskuitteig und einer Masse aus Marmelade, Rum und Schokolade unter einer rosa Zuckerglasur. Wiener*innen sagen verniedlichend Krapferl, vielleicht in der Hoffnung, dass es dann weniger Kalorien hat.

Topfengolatsche

Plunderteig, manchmal Blätterteig zusammengefaltet über einer Mischung aus Topfen (Quark), Zucker, Vanille und Rosinen.

Gugelhupf

Rührteigkuchen oder Germteig (Hefeteig) in einer Form mit gerundeten Rillen gebacken. Häufig auch als Marmorgugelhupf aus heller und dunkler Masse. 

Strudel

dünner Teig mit verschiedenen süßen Füllungen: Apfel, Topfen (Quark), Marillen (Aprikosen), Weichseln (Sauerkirschen). Kommt auch pikanten Varianten vor (Kraut-, Erdäpfel- (Kartoffel), Spinatstrudel, die aber zum Mittagessen und nicht zur Jause gegessen werden).

Beugel

Beugel ist ein anderes Wort für Kipferl, also ein gebogenes Gebäck) und mit dem Wort Bagel verwandt. In Wien sagen wir zu gefüllten Kipferln Beugel: Mohnbeugel und Nussbeugel passen sehr gut zum Kaffee.

Sachertorte

eine Schokoladentorte mit Marillenmarmelade (Aprikosenkonfitüre) und Schokoladeglasur. Der lange Streit zwischen dem Hotel Sacher und der Konditorei Demel, wie viele Marmeladeschichten eine „richtige“ Sachertorte hätte, ist legendär und mittlerweile beigelegt. Seit einigen Jahren haben die Torten aus beiden Häusern zwei Schichten Marmelade. Am besten probierst du beide und entscheidest, welche dein Favorit ist.

Buchteln (oder, wie man in meiner Familie sagt: Wuchteln)


eine Süßspeise aus Germteig (Hefeteig), gefüllt mit Powidl (Pflaumenmus), manchmal auch mit Marillenmarmelade, die in einer Pfanne im Backrohr gebacken wird. Wie so viele österreichische Mehlspeisen kommen auch die Buchteln ursprünglich aus Böhmen.

Schanigarten

Der Legende nach hätte ein Altwiener Cafétier am Beginn der wärmeren Jahreszeit seinen Lehrling Johann (abgeleitet vom französischen „Jean“ wienerisch „Schani“ genannt) geheißen, Tische und Sessel ins Freie zu tragen, und das mit den folgenden Worten: „Schani, trag den Garten ausse!“
Der Begriff Schanigarten für die vielfältigen Outdoor-Bereiche von Kaffee- und Wirtshäusern, Bars und Restaurants hat sich seither in Wien gehalten. Wir lieben sie alle und kaum zeigen sich die ersten frühlingshaften Sonnenstrahlen, sind die Schanigärten voll. 
Dass sich das Rauchen aktuellen Gesetzen folgend in Freie verlagert hat, hat die Außenanlagen auch im Winter populär gemacht.

Die zum Komfort der Gäste aufgestellten Heizgeräte – wir nennen sie in Wien Heizschwammerl, also Pilze – sind nicht gerade klimaschonend, weshalb manche Kaffeehausbesitzer zunehmend Polster, Decken und sogar flauschige Übermäntel bereithalten. Schau einmal, womit du dich bei deinem Wienbesuch im Schanigarten wärmen kannst.

Herr Ober, zahlen!


So lautete früher der abschließende Ruf jedes Kaffeehausbesuches und er war durch und durch korrekt, da es nur männliche Oberkellner gab und nur diese durften kassieren. 
Natürlich ist auch das Wiener Kaffeehaus mittlerweile ein Arbeitsplatz für Frauen und Männer geworden. Zu Beginn war es üblich, nach dem „Fräulein!“ zu rufen, um eine Bestellung aufzugeben. Man(n) hatte damals die Idee, dass vor allem unverheiratete Damen Geld verdienen müssten und solche wurden eben Fräulein genannt.

Damit war spätestens vor 40 Jahren Schluss und seitdem plagen wir uns damit, wie wir die Kellnerin im Kaffeehaus ansprechen sollen. Scherzhafte Varianten wie „Frau Oberin“ scheiden selbstverständlich ebenso aus wie ironische („Gnädige Frau“) und unhöfliche („Hallo!“). In manchen Szenecafés, in denen vor allem jüngere Menschen zu Gast sind, hat sich die Anrede mit dem Vornamen durchgesetzt – wenn man denn weiß, dass gerade „Lilly“ und „Beate“ heute Dienst haben.
Wie halten die Wiener*innen es aber im traditionellen Kaffeehaus? Bis heute hat sich in der Tat keine passende Anrede gefunden, sodass sich die meisten Gäste entweder ohne Anrede behelfen: „Zahlen bitte!“ untermalt von mehr oder weniger sprechenden Gesten.

Daneben hält sich in Ermangelung einer passenden Art, eine weibliche Angestellte im Kaffeehaus anzusprechen, die Floskel „Entschuldigung!“ als aufmerksamkeitsheischende Anrede für Kellnerinnen (und da und dort auch Kellner) hartnäckig, so als müsste man um Nachsicht dafür bitten, etwas bestellen oder die Rechnung begleichen zu wollen. Da muss sich erst noch etwas Zeitgemäßes finden….

Trinkgeld


Oft sind Gäste aus anderen Ländern unsicher, wie es in Österreich denn mit dem Trinkgeld gehalten würde. Die Antwort ist recht einfach: Service ist inkludiert und zusätzliches Trinkgeld ist üblich. Im Kaffeehaus, Gasthaus und Restaurant in der Höhe von etwa 10% der Rechnungssumme. Bei EUR 9,80 wird das Aufrunden auf EUR 10.- zwar vom Kellner und der Kellnerin mit Dank quittiert werden, kommt aber durchaus als kleinlich an. Hier sind EUR 11.- oder 12.- das gute Maß. Bei einer Zeche von rund EUR 100.- sind EUR 10.- Trinkgeld angemessen.

Immer vorausgesetzt, der Service war in Ordnung und du hast dich als Gast wohl- und willkommengeheißen gefühlt. Unaufmerksame Bedienung, schlecht gelauntes Personal und fehlende Aufmerksamkeit verdienen kein Trinkgeld, besonders liebenswürdiger Service sollte jedoch durchaus großzügig bedacht werden. Letzten Endes bilden professionelles und aufmerksames Personal und wohlwollende und großzügige Gäste jenes System im Wiener Kaffeehaus, in dem alle sich wohlfühlen und diesen speziellen Ort zu dem machen, wofür er legendär geworden ist: ein verlängertes Wohnzimmer.

Dr. in. Karin Eichhorn-Thanhoffer

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